Ein Gespräch mit Michael von everworm.de über die Chancen und Herausforderungen der Insektenzucht.
Knetto: Michael, du hast mit everworm.de eine Mehlwurmzucht im Aufbau, die sich derzeit auf die Produktion von Heimtierfutter spezialisiert hat. Was hat dich dazu bewegt, in die Insektenzucht einzusteigen?
Michael: Der ausschlaggebende Impuls kam von meiner Tochter. Sie war tief betroffen, als sie sah, wie viel Müll täglich von Bäckereien und Backwarenbetrieben produziert wird. Diese massive Lebensmittelverschwendung hat uns zum Nachdenken gebracht. Als ausgebildeter Koch war ich ohnehin stets auf der Suche nach nachhaltigen und innovativen Lösungen in der Ernährung. Die Idee, Mehlwürmer zu züchten, die mit überschüssigen Backwaren gefüttert werden können, erschien uns als perfekte Symbiose.
Knetto: Wie genau nutzt ihr überschüssige Backwaren in eurer Zucht?
Michael: Wir sammeln unverkaufte Backwaren von lokalen Bäckereien, die sonst im Müll landen würden. Diese werden zerkleinert und dienen als Futterbasis für unsere Mehlwürmer. So verwandeln wir Lebensmittelabfälle in wertvolles Protein für die Heimtierfütterung. Es ist ein geschlossener Kreislauf, der sowohl die Umwelt schont als auch hochwertige Futtermittel produziert.
Knetto: Ihr habt eure Produkte auf Messen präsentiert. Wie waren die Reaktionen?
Michael: Die Resonanz war überwältigend positiv. Viele Besucher waren erstaunt über die Möglichkeiten der Insektenzucht und die Qualität unserer Produkte. Es gab natürlich auch Skepsis, aber durch Aufklärung und Probiermöglichkeiten konnten wir viele überzeugen.
Knetto: Insekten als Nahrungsmittel stoßen in Europa oft auf Ablehnung. Wie siehst du das?
Michael: Der Ekel ist kulturell bedingt. In vielen Ländern stehen Insekten regelmäßig auf dem Speiseplan. Hierzulande verbinden viele Menschen Insekten mit Schmutz oder Gefahr. Doch eine Heuschrecke ist nicht unappetitlicher als eine Krabbe. Es braucht Zeit und Aufklärung, um diese Vorurteile abzubauen.
Knetto: Wie werden die Mehlwürmer in eurer Zucht geschlachtet?
Michael: Wir setzen auf schonende Methoden wie das Einfrieren. Die Mehlwürmer fallen in eine Kältestarre und sterben schmerzfrei. Diese Methode ist sowohl effektiv als auch ethisch vertretbar.
Knetto: Welche Verantwortung haben wir gegenüber zukünftigen Generationen in Bezug auf unseren Fleischkonsum?
Michael: Unser aktueller Fleischkonsum ist weder nachhaltig noch ethisch vertretbar. Wir hinterlassen unseren Kindern eine Welt mit erschöpften Ressourcen und Umweltproblemen. Es ist unsere Pflicht, Alternativen zu finden und umzusetzen.
Knetto: Du sprichst von Alternativen. Wie stehst du zu invasiven Arten wie der Nilgans als Nahrungsquelle?
Michael: Invasive Arten stellen oft ein ökologisches Problem dar. Ihre Nutzung als Nahrungsquelle könnte helfen, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Allerdings muss dies sorgfältig geprüft und umgesetzt werden, um neue Probleme zu vermeiden.
Knetto: Wie siehst du die Zukunft der Insektenzucht in Europa?
Michael: Ich bin optimistisch. Mit zunehmender Aufklärung und dem Drang nach nachhaltigen Lösungen wird die Insektenzucht an Bedeutung gewinnen. Es ist eine Frage der Zeit, bis Insektenprodukte ihren festen Platz in unserer Ernährung finden.